Tod den langen Sätzen!
Lange Sätze sind ein Graus. Das gilt ganz besonders für Texte, die an Laien gerichtet sind. Für sie sind juristische Inhalte ohnehin schwer zu erfassen. Erstreckt sich ein Satz über mehr als zwei Zeilen, verlieren sie endgültig die Lesefreude.
Ein Beispiel: „Um seinen Arbeitsplatz zu retten, sollte der Arbeitnehmer rechtzeitig Klage erheben, wozu er die Frist von drei Wochen zu beachten hat, die ab dem Zugang der Kündigung zu laufen beginnt.“
Dieselben Informationen lassen sich deutlich lesefreundlicher ausdrücken: „Der Arbeitnehmer muss Klage erheben, um seinen Arbeitsplatz zu retten. Dazu hat er ab Zugang der Kündigung nur drei Wochen Zeit.“
Autoren sollten auf Folgendes achten:
- Hat ein Satz mehr als zwei Kommata? Ist er länger als zwei Zeilen? Dann sollte er in zwei Sätze aufgespalten werden.
- Einschübe (sei es per Klammer, per Komma oder per Spiegelstrich) stören den Lesefluss (gemerkt?). Ein guter Text ist damit sehr sparsam.
- Idealerweise enthält ein Satz maximal eine Relativkonstruktion.
Negativbeispiel: Sozialplanabfindungen, die für einen Betrieb vereinbart wurden, über den das Insolvenzverfahren eröffnet ist, müssen die gesetzlichen Höchstgrenzen beachten.
Besser: Abfindungen aus einem Sozialplan sind der Höhe nach beschränkt, wenn sich das Unternehmen im Insolvenzverfahren befindet.
Übrigens: Beim Kürzen eines Satzes bietet sich die hervorragende Gelegenheit, Unwichtiges zu streichen. Viele Informationen bieten dem Leser keinen Mehrwert. Je schlanker der Text, desto mehr nimmt der Leser auf.
Negativbeispiel: Das Bundesarbeitsgericht entschied am 12.9.2010 in letzter Instanz, dass dem in der Berufungsinstanz unterlegenen Arbeitgeber recht zu geben sei.
Besser: Das Bundesarbeitsgericht gab dem Arbeitgeber recht.
Typisch Jura: Fremdwörter und Fachbegriffe
In Texten für Laien sind Fremdwörter tabu. Der Beitrag soll Fragen beantworten – nicht weitere schaffen. Dafür muss er die Sprache des Lesers sprechen.
Beispiele: Zession, Synallagma
Deutsche Fachbegriffe sind sparsam einzusetzen. Sie ergeben Sinn,
- wenn an ihnen ein ganzes Thema aufgehängt ist.
Beispiel: „Sozialauswahl“, „Vergleich“
- oder der Leser in einer Situation ist, in der er ohnehin auf den Fachbegriff stoßen wird. Dann bietet es sich an, ihn hier bereits zu erklären.
Beispiele: Der Begriff „Sperrzeit“ wird so auch im Bescheid der Arbeitsagentur verwendet. Schreiben des Arbeitgebers sprechen häufig allein von der „Sozialplanabfindung“, ohne den Unterschied zu anderen Grundlagen einer Abfindung erkennbar zu machen.
Selten bis nie: Nominalisierungen
Das klassische „Juristendeutsch“ klingt geschwollen. Schuld daran sind vor allem unnötige Nominalisierungen. Sie erschweren das Lesen ungemein. Verben lassen sich leichter auffassen.
Negativbeispiel: Arbeitnehmer sollten das Verstreichenlassen der Frist vermeiden!
Besser: Arbeitnehmer sollten die Frist nicht verstreichen lassen!
Gelegentlich können Nominalisierungen auch ersatzlos gestrichen werden.
Negativbeispiel: Das rechtzeitige Stellen des Antrags ist die wichtigste Voraussetzung.
Besser: Der rechtzeitige Antrag ist die wichtigste Voraussetzung.
Nominalisierungen sind nur dann sinnvoll, wenn sie einen Satz deutlich verkürzen und zur Abwechslung beitragen. Sie sollten allerdings die Ausnahme bleiben.
Keine Extravaganz – einfache Sprache
Juristendeutsch ist aus einem weiteren Grund geschwollen: Der Hang zu extravaganten Ausdrücken, die keinerlei sprachlichen Mehrwert bieten. Sie mögen gebildet klingen, lenken den Leser aber ab oder überfordern ihn.
Negativbeispiele:
- „Die Vermieterin begehrte gerichtlich die sofortige Räumung.“
- „Den Betriebsrat vermochte diese Argumentation des Arbeitgebers nicht zu überzeugen.“
- „Dem Arbeitgeber bleibt nur noch der Aufhebungsvertrag, um sich des Arbeitnehmers zu entledigen.“
Egal ob Jurist oder Laie: Alltägliche Sprache kommt beim Leser besser an. Den idealen Eindruck macht, wer komplexe Informationen einfach ausdrücken kann.
Positivbeispiele:
- „Die Vermieterin verlangte/beantragte vor Gericht die sofortige Räumung.“ ODER „…klagte auf sofortige Räumung.“
- „Diese Argumentation des Arbeitgebers überzeugte den Betriebsrat nicht.“
- „Dem Arbeitgeber bleibt nur noch der Aufhebungsvertrag, um sich vom Arbeitnehmer zu trennen.“
Juristische Sprache verbessern = Normen reduzieren
Texte im Kanzlei-Blog sollten nur auf §§ verweisen, wenn dies dem Leser einen Mehrwert bietet. In aller Regel ist das nicht der Fall. Sie stören den Lesefluss.
Sinn ergeben Normen, wenn sie Informationen bieten, die über die Inhalte des Textes hinausgehen. Wichtig ist, dass der Wortlaut der Norm auch für Laien leicht verständlich ist.
Beispiele:
- Die Schwellwerte des § 17 Abs. 1 KSchG interessieren die meisten Leser nicht. Sie können aber wichtig sein. Daher genügt meist, die Norm zu nennen und einen Link einzufügen.
- § 23 Abs. 1 KSchG ist für Arbeitnehmer in Kleinbetrieben zwar sehr wichtig; die Norm ist allerdings so schwer verständlich, dass sie einen Laien kaum weiterbringt.
Jura braucht mehr Aktiv statt Passiv
Mit diesem Tipp nähern wir uns der Kür. Texte erreichen den Leser eher, wenn sie im Aktiv formuliert sind. Der letzte Satz zeigt aber bereits: Natürlich spricht pauschal nichts gegen den Einsatz des Passivs. Er sollte allerdings nicht Überhand nehmen. Denn Passiv klingt passiv (, tot und langweilig).
Dies lässt sich leicht vermeiden:
- Etwa wie im letzten Satz. Der gelegentliche Gebrauch von „sich lassen“ schafft Abwechslung. Die Aneinanderreihung von Formulierungen wie „Das kann leicht vermieden werden“ hingegen nicht.
- Die aktiven Verbformen können nicht nur das Tun der Menschen ausdrücken. Auch Gegenstände klingen im Aktiv besser. Das ist jedem klar – sollte aber gerade beim Korrekturlesen präsent sein.
Beispiel: „In der Mitteilung wurden die notwendigen Angaben gemacht.“
Besser: „Die Mitteilung enthielt die notwendigen Angaben.“
Beklagter und Kläger – „wer!?“
Gerade Zusammenfassungen von Urteilen sprechen oft von „Kläger“ und „Beklagtem“. Dagegen ist inhaltlich nichts einzuwenden. Wer allerdings nicht alltäglich mit diesen Begriffen in Berührung kommt, verliert schnell den Überblick. Besonders gute Texte verzichten daher auf diese Begriffe und bescheren dem Leser so ein noch größeres Lesevergnügen.
Übung gegen das Juristendeutsch
Die Theorie ist gemacht, der Sinn für Sprache im besten Fall geschärft. All das nützt nichts ohne Übung. Nur, wer regelmäßig Formulierungen präzisiert, Sätze kürzt und Nominalisierungen streicht, wird Fortschritte machen. Bis Formulierungskünste auch in der Klausur Wirkung entfalten, sind einige Stunden Übung erforderlich.
Die bieten wir Juristen in der Ausbildung. Wir verfassen Texte für die Websites von Rechtsanwälten in ganz Deutschland. Darin erklären wir Laien die Rechtslage. Wir sind stets auf der Suche nach motivierten Schreiberinnen und Schreibern! Bei uns findest du einen flexiblen Nebenjob, der zu jedem Lernplan passt. Eigentlich ist er der Lehrplan – denn wer für Laien formulieren kann, der bereitet erst recht dem Korrektor beim Lesen Freude.